Die Geschichte der Grafschaft Pyrmont und der Stadt Lügde: Unterschied zwischen den Versionen

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<p><big>Von</big> Manfred Willeke (Lügde/2015) <big>†</big> 2016</p>
<p><big>Von Manfred Willeke (Lügde/2015) <big>†</big> 2016</p>
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=== DIE GRAFSCHAFT PYRMONT ===
=== DIE GRAFSCHAFT PYRMONT ===

Version vom 31. März 2024, 18:49 Uhr

Von Manfred Willeke (Lügde/2015) 2016

Die Geschichte der Grafschaft Pyrmont, ihrer Ortsteile und ihrer ehemaligen Residenzstadt Lügde

DIE GRAFSCHAFT PYRMONT

URGESCHICHTE

Die Besiedlung in unserem Gebiet reicht in etwa bis ins 4. Jahrtausend vor Christi Geburt zurück, wie Steingerätefunde belegen. Die damaligen Bewohner entwickelten sich in dieser Zeit von Sammlern und Jägern zu Ackerbauern. Sie legten erste Häuser an und rodeten den Wald. Oberhalb von Bad Pyrmont liegt neben dem Ortsteil Hagen das untergegangene Dorf Plattgersten an einem Abzweig des berühmten Hellweges -von Aachen nach Königsberg-[1]. Hier ist vor Jahren eine alte Steinklinge aus der Jungsteinzeit (4500-1800 vor Chr.) und ein ebenso alter Flintstein aus dem heutigen Belgien gefunden worden.
Zu diesen ersten Bewohnern stießen in der Zeit 2000 vor Christi Geburt kleinere Gruppen kriegerischer Halbnomaden und Viehzüchter aus Mitteldeutschland. Sie brachten schnurverzierte Gefäße (Schnurkeramiker) mit. Aus dieser Zeit stammen auch Funde aus dem Pyrmonter Moor, eine Doppelaxt vermutlich in der Zeit um 2500 vor Chr. entstanden und eine Kugelamphore aus der Zeit 2000-1700 v. Chr. In der folgenden Bronzezeit, 1700-700 vor Christi Geburt, bestatteten die Bewohner ihre Angehörigen in Hügelgräbern, von denen sich bis heute viele erhalten haben. Später wurden die Verstorbenen verbrannt und in Tongefäßen/Urnen beigesetzt. Eine solche Urne, aus der Zeit des 3. Jahrhunderts nach Christi Geburt, fand sich 1955 bei Bauarbeiten im Bereich der Rosenstraße in Lügde. Die Urne stammt, wie von der Außenstelle des Landesmuseums in Bielefeld festgestellt wurde, aus einer römischen Töpferei in Rhein-Zabern.

Die Herlingsburg, Ansicht von Eschenbruch.
Foto: Manfred Willeke
Die Herlingsburg, Ansicht von Osten.
Foto: Manfred Willeke

Der wichtigste vorgeschichtliche Punkt unserer Gegend ist die Herlingsburg, ein rund 334 Meter hoher Bergkegel oberhalb des Bad Pyrmont/Lügder Talkessels. Ursprünglich befand sich hier eine germanische Burg. Nach Untersuchung verkohlter Hölzer der Wehrbauten sind Teile der Befestigung bereits um 200 vor Christi Geburt entstanden. Mit ihrer 7 Hektar großen Innenfläche ist sie, im Vergleich mit anderen Burgen dieser Zeit, recht klein. Sie konnte von 100 bis 200 Personen verteidigt werden und bot rund 1000 Menschen, die in kleinen Streusiedlungen der Umgegend wohnten, Schutz vor Angreifern. Um diese eigentlich Fliehburg instand zu halten war sie, wie Fund belegen, von einigen Familien durchgängig bewohnt. Schon der bekannte Archäologe Dr. Friedrich Hohenschwert, von 1976 bis 1986 Direktor des Landesmuseums in Detmold, vermutete hier u. a. den Sitz eines germanischen Edelings. Er schreibt dazu: „Die Herlingsburg kann, weil sie tiefer im Siedlungsgebiet der Cherusker liegt, eher die Burg eines cheruskischen Stammesfürsten gewesen sein, als die Grotenburg bei Detmold. Vielleicht war sie sogar einer der Plätze, an dem Arminius seine Mitstreiter versammelte.“ Nach einer alten Sage ist Arminius in der Herlingsburg gefangen, bis er einst glorreich wieder hervortritt. Damit gehört die Herlingsburg in die Reihe jener berühmten Deutschen Berge, wie z. B. der Kyffhäuser, in dem Friedrich Barbarossa eingeschlossen ist.
Nach der germanischen Zeit verfiel die Burg und wurde rund 700 Jahre später, im 8. Jahrhundert nach Christi Geburt, als sächsische Stammesburg gegen die vordringenden Franken wieder instand gesetzt. Sie lag strategisch sehr günstig. Danach verlor sie an Bedeutung für die Menschen, blieb ihnen aber stets als geschichtlich wichtiger Ort in Erinnerung. Unterhalb der Burg gibt es auf der Ostseite eine Hochfläche, die „Hovestadt“ genannt, die auch nach dem Verfall der eigentlichen Burg noch eine Weile besiedelt geblieben ist. Bei einer Begehung mit dem bereits erwähnten Dr. Friedrich Hohenschwert, fanden sich Reste sächsischer Grubenhäuser und Siedlungsspuren aus dem 11. und 12. Jahrhundert nach Christi Geburt.
Seit der Auffindung von Tacitus Schriften im 16. Jahrhundert, wurde nicht nur der Osning in Teutoburger Wald umbenannt, sondern auch die Herlingsburg in Hermanns/Arminiusburg. Bei der Trennung der Grafschaft Pyrmont 1668 behielten die Grafen/Fürsten zu Waldeck-Pyrmont, über einen schmalen Streifen vom Dorf Hagen zugänglich, große Teile der Burgfläche. Damals glaubten sie, hier habe in grauer Vorzeit die Stammburg der Grafen von Schwalenberg (später Waldeck) gestanden. Manche der alten Forscher machten sogar den sehr fantasiereichen Versuch, die Linie des Arminius bis zu den Schwalenberger Grafen fortzuspinnen.

Am 29. November 1921 wurde im Rahmen eines Staatsvertrages zwischen dem Land Waldeck (Bad Pyrmont) und der preußischen Provinz Westfalen (Lügde), das Gebiet des Pyrmonter Bahnhofs (20 Hektar), das zu Lügde gehörte, mit Bad Pyrmont getauscht. Bad Pyrmont bekam den Bahnhof und Lügde als Ersatz ein Waldstück am Mühlenberg (8 ½ Hekar groß) sowie die bis dahin zur Hagener Gemarkung gehörigen Waldungen im Kiefgut und den Pyrmonter Hals=Zugang zur Hochfläche der Herlingsburg bzw. auch dieselbe (insgesamt 20 Hektar).
Die Herlingsburg als uralte Burganlage zog natürlich schon immer auch Forscher und Archäologen an. 1902 grub Professor Schuchardt im Bereich des ehemaligen Brunnens und fand hauptsächlich Scherben aus der sächsischen Zeit um 800 nach Christi Geburt. 1934 machte sich die „Pyrmonter Arbeitsgemeinschaft für germanische Vorgeschichte“, u. a. Erwin Brauß und Förster Melcher, im Auftrag der Vereinigung von Freunden germanischer Vorgeschichte in Detmold daran, verschiedene Grabhügel auf der Herlingsburg zu untersuchen. Die Ausgrabung leitete Museumsleiter Müller-Braul vom Väterkunde-Museum in Bremen. Bei den aufgedeckten Hügeln handelte es sich um Gräber aus der älteren Bronzezeit, also ca. 1700 Jahre vor Christi Geburt. Daneben fanden sich die für den nordwestdeutschen Raum typischen Urnen, eimerförmige Rauhtöpfe, die aus der vorrömischen Eisenzeit (700 vor bis 750 nach Chr.) stammen.
Heute erinnern noch die rund 1800 Meter langen Befestigungsreste/Wälle um die Hochfläche der Herlingsburg an ihre einstige Bedeutung.

DIE GRAFEN VON SCHWALENBERG UND DIE ENTSTEHUNG DER GRAFSCHAFT PYRMONT
Die Grafen von Pyrmont stammen ursprünglich aus dem Haus Schwalenberg. Die Schwalenberger stammen mit großer Wahrscheinlichkeit aus dem Mestremgau zwischen Deister, Leine und Steinhuder Meer. Dazu gehörten auch die Archidiakonate Pattensen und Wunsdorf. Einer der ersten fassbaren Vorfahren der Grafenfamilie dürfte Hermann sein, 1002 u. 1014 als Graf im Tiliti- und Wetigau erwähnt. Im folgte sein vermutlich Sohn Widekind, der 1031 als Graf im Tiliti- und Wetigau erscheint. Ende des 12. Jahrhunderts schufen Graf Widekind von Schwalenberg und Graf Gottschalck von Pyrmont die Grundlagen für die Stiftung des Klosters Barsinghausen (1203). Noch im 13. Jahrhundert hatten die Grafen von Schwalenberg und Pyrmont in ihrem ehemaligen Stammgebiet Besitzungen.

Die Oldenburg oberhalb des ehem. Klosters Marienmünster. Foto: Manfred Willeke

Einer der ersten, bereits 1127 erwähnten Burgsitze der Grafen von Schwalenberg in unserer Gegend ist die Oldenburg. Unterhalb dieser Burg gründeten Graf Widekind von Schwalenberg und seine Frau Luttrudis von Itter im Jahre 1128 das Kloster Marienmünster. Dort ließen sich im Jahre 1137 Graf Widekind und 1178 Graf Volquin von Schwalenberg beisetzen. Ihre eindrucksvollen Grabsteine sind bis heute erhalten geblieben.

Grabstein des 1137 im Kloster Marienmünster begrabenen Grafen Widukind von Schwalenberg

Unterhalb dieser Burg gründeten Graf Widekind von Schwalenberg und seine Frau Luttrudis von Itter im Jahre 1128 das Kloster Marienmünster. Dort ließen sich im Jahre 1137 Graf Widekind und 1178 Graf Volquin von Schwalenberg beisetzen. Ihre eindrucksvollen Grabsteine sind bis heute erhalten geblieben. Mit den Grafen von Schwalenberg verbinden wir heute die Stadt Schwalenberg, die von Graf Volquin II. von Schwalenberg gegründet worden ist und bereits 1231 im Archidakonatsverzeichnis des Bistums Paderborn, als „Oippidum= Stadt Schwalenberg“ erwähnt wird. Die Grafen von Schwalenberg gehörten zu den Parteigängern und Vasallen Heinrich des Löwen, der sich mit dem damaligen Kaiser Friedrich Barbarossa anlegte. Daraufhin verhängte der Kaiser 1180 über Heinrich den Löwen die Reichsacht, so daß dieser -vermutlich 1181- nach England ins Exil gehen mußte. Sein Besitz, u. a. das Herzogtum Westfalen-Engern, fiel daraufhin an den Kaiser, der sich umgehend um den Schutz desselben kümmern mußte, denn schnell keimten hier und da territoriale Interessen auf.
Die Gewalt über das Herzogtum Westfalen und Engern übertrug Kaiser Friedrich Barbarossa dem Erzbischof des überaus bedeutenden Bistums Köln, Philipp von Heinsberg. Graf Widekind von Schwalenberg, bisher zur Partei Heinrich des Löwen gehörig, wurde nun Anhänger des Erzbischofs von Köln, der sein neu gewonnenes Herzogtum absichern und schützen mußte. So erklärt sich auch, daß er an der Grenze desselben, im Gebiet des Grafen Widekind von Schwalenberg, von diesem dessen Allod = Eigenbesitz Oesdorf kaufte. Danach baute er 1182/83 entweder eine schon vorhandene Burg der Grafen von Schwalenberg aus oder errichtete eine neue Burg, was sich heute nicht mehr mit Sicherheit sagen läßt. Diese Burg stellte der Erzbischof unter den Schutz des hl. Petrus und nannte sie „Petri-Mons“, also Petersberg. Vermischt mit der uralten Gebietsbezeichnung „Piringismarca“, die erstmals 889 in einer Urkunde König Arnulfs erwähnt wird und nach Prof. Dr. Birgit Meineke auf den germanischen Ursprung hinweist, entwickelte sich daraus der Name „Pyrmont“.
Am 7. März 1184 ließ sich der Erzbischof den Erwerb von Oesdorf und dem „Castrum Perremont“ für die Kirche von Köln, von Papst Lucius III. genehmigen. Wie vermutlich vorher abgesprochen, belehnte der Erzbischof von Köln Graf Widekind von Schwalenberg am 2. April 1184 mit der Hälfte der Burg Pyrmont, die ja in seinem Gerichtsbezirk lag.
Graf Widekind von Schwalenbergs gleichnamiger Sohn nannte sich seit 1187, nach der Burg und dem Gebietsnamen: „Graf von Pyrmont“
Graf Widekind von Pyrmont nutzte die Burg Pyrmont zunächst als Mittelpunkt, der aus der Gesamtgrafschaft Schwalenberg herausgelösten, neu entstehenden Grafschaft Pyrmont. Zu dieser neu entstehenden Grafschaft Pyrmont, dürften die Dörfer Hiddenhausen (1/2 zu Schwalenberg gehörig), Oster(hagen), Plattgersten, Ubbenbrock, Dodenbrock, Heßel, Lied, Dallhausen, Schleden(hagen), Bruwen = Kleinen- und Großenberg, Thal, Vesper, Löwensen, Oesdorf, Holzhausen, Huckenhausen bei Holzhausen, Brake, Wienkhausen, Holzhausen bei Elbrinxen, Elbrinxen, Sabbenhausen, Ottersen, Wormelte, Hiddenhausen, Dane und später noch die Hagengründungen: Nienhagen, Delmenhagen, Mellenhagen und Wedenhagen gehört haben. Neben der Burg Pyrmont war die 1195 bereits bedeutende Münzstätte Lügde ein wichtiger Mittelpunkt der Grafschaft. Seit 1239 stellten die Grafen hier vermehrt Urkunden aus.

Referenzen

  1. Anmerkung Frank Schlutter: Heute auch als Bundesstraße 1 bekannt