Pyrmonter Persönlichkeiten - Theodor Francke
Warum Theodor Francke zum Herkules wurde
Zur Erinnerung:
Die Spelunkenbewegung wurde 1872 als Stammtischrunde gegründet. Die sich später selbst "Halunken" Nennenden versammelten sich an Wochenenden Mittags in den ersten Jahren im Keller von Meyers Weinhandlung in der Bahnhofsstraße. Später dann im eigenen Halunkenheim am Altenauplatz, wo auch Herkules nebst seinem Sockel seinen Platz fand. Die Spelunkenbewegung war eine Runde wohlhabender und anerkannter Männer, deren Mitglieder für ihre Geselligkeit und Wohltätigkeit bekannt waren. Ihre Wohltätigkeit wurde durch Spenden, die neue Mitglieder bei Aufnahme entrichteten, zur Unterstützung notdürftiger Menschen verwendet.
So, nach langer Vorrede nun zur eigentlichen Frage:
Warum wurde Theodor Francke, langjähriger Präsident der Halunken, zum Herkules?
Einigen ist sicherlich das Bild links mit Theodor Francke als Herkules bekannt. Es unterstreicht den Schalk des Humoristen, der um und nach der Jahrhundertwende 1900 für viele Jahre als führender Cabaretkomiker - heute hieße das Comedian - Deutschlands galt. Francke hatte für viele Jahre ein gut dotiertes Engagement im Kurort Pyrmont und wurde zum Ehrenbürger der Stadt ernannt. Es geht auf eine wahre Gegebenheit zurück - erzählt man.
Hier zur nicht protokollierten Geschichte:
Die Halunken haben einen reichen Amerikaner für eine Mitgliedschaft in der Spelunkengesellschaft gewonnen, was ihm nach Zahlung eines großzügigen Obolus gewährt wurde. Er sah Herkules auf dem Sockel im Garten der Spelunke am Altenauplatz stehen und fragte, wer das sei.
Es ergab sich folgender überlieferter, aber nicht protokollierte Dialog: Theodor Francke: "Das ist Herkules, aber er sei ein gewaltiger Error, wenn er glaube, dass es eine schöne und starke Boy nur in Stein gäbe. Ich, Theodor, sei mindestens ebenso schön und wenn der Mister es nicht glaube werde er sich in den nächsten Tagen auch einmal wie Herkules auf den Sockel". Natürlich werde dieses einmaliges Ereignis ein paar Dollar kosten" Vermögender Mister: "Oh, ich geben much money, when you will make this fun" Die Halunken machten diesen "Fun" mit, hoben Herkules mit Seilwinden vom Sockel und als der vermögende Mister später kam, stand Theodor Francke nur mit Unterhose bekleidet an diesem Abend regungslos auf dem Sockel. Diese Aktion soll das Vermögen der Spelunken um ein Vielfaches vermehrt haben!
Nachbemerkungen:[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]
- Der Spelunkenturm wurde von den Halunken 1897 als Kapitalanlage angelegt. Für die Besteigung des Turms wurden damals 10 Pfennig pro Person verlangt. Früher galt für Kapitalanlagen: besser stetig hoch hinaus als schnell hinab.
- Als ab 1933 in Deutschland offiziell nicht mehr soviel Spass verstand wurde, wurde die Halunken-Rücklagen eingezogen und die Mitglieder der Vereinigung einer genaueren Prüfung unterzogen.
- Herkules sammt Sockel steht heute in der Bombergallee. Vielfachen Dank an Hans-Joachim Weiß, dass er für das aktuelle Foto rechts extra sein zweirädriges eHorse sattelte 😉
Aus dem Pyrmonter Kurleben um 1910[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]
Ende 1953 appellierte das Staatsbad in der Lokalpresse an die Pyrmonter Einwohner, Erinnerungsstücke aus der Pyrmonter Geschichte, die sich noch in Privatbesitz befinden, dem Staatsbad zu überlassen, um sie in ihrem Archiv zu sammeln. Das damalige Pächterehepaar der Sennhütte übergab daraufhin dem Staatsbadarchiv ein in den Meggendorfer Blättern zu Beginn des 20. Jahrhunderts veröffentlichtes Gedicht, in dem der Kamenzer Schauspieler und langjährige Spelunkenpräsident Theodor Francke auf satirische Weise das damalige Kurleben in Pyrmont beschrieb. Das Gedicht ist in sächsischer Schriftsprache verfasst und sollte, falls notwendig, zum besseren Verständnis laut gelesen werden. Eine weitere Kopie dieses Gedichtes ist auch in T. Malms Büchlein "Die Pyrmonter Gesellschaft -Spelunke-, das anlässlich des Festvortrages am 08.09.1996 zum 100-jährigen Bestehen des Spelunkenturms" erschienen.
Neben diesem Archiv-Exemplar existiert anscheinend noch ein weiteres im Museumsarchiv, dass sich aber anscheinend nicht in einem so guten Zustand befindet. Das Kopfblatt des Museumsexemplars ist diesem Beitrag beigefügt.
Dieses Friejahr ist’s gewäsen Als ich sagen hört in Dräsen Von em alden Bäderkenner; „In Pyrmont giebts keene Männer!“ Schnell macht ich mich auf de Reise Denn ich dacht', Du steigst im Breise, Freilich, als ich kam hier an, Fand ich doch schon manchen Mann. Gleich am Bahnhof — ach herjeh — War e männlicher Bordjeh, Dann entdeckt ich hinterher Einen Dramway—Conductehr‚ Kutscher, Kellner — und so weiter, Ärzte, die curiren sollen, Händler‚ die verkaufen wollen. Und dann noch e paar vom Amt, Das is etwa insgesamt Was an Männern exlstierd. —— Nebenbei sei constadird, In der Firstlichen Kapelle 30 Männer sin zur Stelle. Ooch de Mimen dragen bei, Daß beläbt de Straße sei, Kurz, es sin in allen Ecken Herrn der Schepfung zu entdeeken‚ Hat man nur e bischen Glick, Siehd man manchmal gleich zwee Stick Freilich, Männer, die zur Kur, Sieht man ziemlich selten nur, Weil de meisten leider äben Gar nich gern von Wasser läben.
Eemal bin ich frieh um sieben Vor Erstaunen stehn geblieben, Weil finf männliche Gestalden - Sich am Brunnen aufgehalden, Doch vom Drinken keene Spur, Durscht nach Liebe war es nur. Samstags, wenn im Kurhaus Danz, Dricken sich de Männer ganz, Oftmals naht der Damenschaar Nur der eenz’ge Refrendar, Herr Baron von Hundelshausen [1] Danzt, sich opfernd, ohne Bausen, Ooch Herr Braune[2] duht dasselbe, Braune walzt sich grien und gelbe. Is de Dänzernot zu groß‚ Laßt e Delegramm man los, Und von Hameln helfend dann Rickt das Milidähr heran. — Aber Sonntags kann man finden Männer, zahlreich' wie de Linden, Weil der Ehemännerzug Eine Menge här da drug. Aus der Großstadt und vom Lande Naht auch schneidig der Bassante, Doch am wohlsten fiehld man sich In der Woche under sich. Daß so knapp der Männer Zahl, Freit en jeden kolossal; Weil der Männ als Egoist Berle gern im Golde ist. Ooch soll niemand etwa denken, Daß de Damen sähr sich kränken Weil se wenig Männer sähn, Nee conträhr, sie findens scheen. Herrscht de Frau‚ daß weiß man schon Dann herrscht auch der gude Don. . Das is Pyrmonts Eigenart: — Gute Sitte bleibd gewarht; Unbelästigt unschenirt Ooch de Jingste hier spaziert. Mag der Fortschritt vorwärts dreiben. Darin laßt's beim Alten bleiben, Is der Abend warm und drocken, Macht sich alles auf die Socken Den Concertplatz rund herum Läufts verährte Bublikum. Manches Jinglings Herz wird schwär, Blicke schmeißt man. hin und her; Müde, die auf Bänken sitzen, Üben sich in krit'schen Witzen. Wenn die Melodie recht packd. Wiegen alle sich im Dackt Und der ganze Menschenhauf Stellt sich vor'm Orchester auf, Bei dem Baume, wo's Programm‚ Stehn die Endusjasten stramm, — — Hier und da wird räsoniehrd: „'s wird zu wenig musizird“, Andre seifzen dicht derbei: „Ach de ew’ge Dudelei!“ Ein'ge schimpfen wie nach Noten: „’s wird ooch gar nischt hier geboten" Viele fiehlen sich gestehrd Durch das Simfonieconcert; — Allerwärts dieselben Sachen, Jedem ist's nicht recht zu machen; Freilich wird im nächsten Jahr Manches besser ganz und gar. Daß de‘ Nummern vom Konzert Jeder ganz nach Wunsche hört, Fährts Orchester-Bodium. Egal dann auf Rädern rum. Die Musik beginnt um Viere Grade vor der Kurhaus Diehre Bei der zweiten Nummer dann Rutscht se bis zu Bermann ran, Nachdem zu 'ner andern Stelle Nummer fünf: Helenenquelle Endlich wird bei Nummer acht Sie zum Bomberg raufgebracht. Die was extra zahlen wollen, Könnens in de Wohnung rollen. - - Döhnt um 10 der Schlußaccord, Bläst's im Nu de Leite fort Ein'ge nur dreibt Sähnsuchtsweh Zur verwaisten Hauptalleeh, Wo man dann voll Biehdäd Zweemal auf und nieder gehd. Wer halb Elfe laud noch lachd, Wird zum Staatsanwald gebrachd. Daß de Kur nich läud Gefahr, Sin des Hauses Schlissel rar, Kneibst de, geh solid nach Haus, Sonst sperrt dich de Wirtin aus. Quillt mal wochenlang der Regen, Ist es glitschig auf den Wegen Wirds Dheater wertgeschätzt, Schnell was extra angesetzt, Bricht Gewitter draußen rein, Schlagen drinn de Sticke ein - - Hat 'ne Dame vier, sechs Wochen Stahl geschluckt, Ozon gerochen, Daß de Nerven sin gestähld Und kee alter Schmerz mehr quält, Läßt se schnell de Waage kömmen; Merkt se, daß se zugenommen, Zahlt se Miete, schreibt nach Haus Nimmt der Wirtin Blumenstrauß Hat man ooch nich harmoniert, Jetzt is alles dief geriehrt. Mindestens der Damen zehne Nahen sich zur Abschiedsszene: „Nee, ich kann nicht länger bleiben, Bitte Ansichtskarten schreiben!" Jede eenzeln giebt en Kuß Schnupfduchwedeln, Drähnenguß. Scheidend klingts :„Pyrmont war scheen, Nächstes Jahr auf Wiedersehn!"
Quellen und Literatur:[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]
- Geschichte des Grotesk Komischen, Karl Friedrich Flögel, 1914
- Historisches Archiv der Dewezet, Pyrmonter Nachrichten, 1952
- Die Pyrmonter Gesellschaft Spelunke und ihre ehrenhaften Halunken, Titus Malms, 1996
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