Die Geschichte der Grafschaft Pyrmont und der Stadt Lügde
Die Geschichte der Grafschaft Pyrmont und der Stadt Lügde
© Manfred Willeke (Lügde/2015)
Die Geschichte der Grafschaft Pyrmont, ihrer Ortsteile und ihrer ehemaligen Residenzstadt Lügde
DIE GRAFSCHAFT PYRMONT
URGESCHICHTE
Die Besiedlung in unserem Gebiet reicht in etwa bis ins 4. Jahrtausend vor Christi Geburt zurück, wie Steingerätefunde belegen. Die damaligen Bewohner entwickelten sich in dieser Zeit von Sammlern und Jägern zu Ackerbauern. Sie legten erste Häuser an und rodeten den Wald. Oberhalb von Bad Pyrmont liegt neben dem Ortsteil Hagen das untergegangene Dorf Plattgersten an einem Abzweig des berühmten Hellweges -von Aachen nach Königsberg-. Hier ist vor Jahren eine alte Steinklinge aus der Jungsteinzeit (4500-1800 vor Chr.) und ein ebenso alter Flintstein aus dem heutigen Belgien gefunden worden.
Zu diesen ersten Bewohnern stießen in der Zeit 2000 vor Christi Geburt kleinere Gruppen kriegerischer Halbnomaden und Viehzüchter aus Mitteldeutschland. Sie brachten schnurverzierte Gefäße (Schnurkeramiker) mit. Aus dieser Zeit stammen auch Funde aus dem Pyrmonter Moor, eine Doppelaxt vermutlich in der Zeit um 2500 vor Chr. entstanden und eine Kugelamphore aus der Zeit 2000-1700 v. Chr. In der folgenden Bronzezeit, 1700-700 vor Christi Geburt, bestatteten die Bewohner ihre Angehörigen in Hügelgräbern, von denen sich bis heute viele erhalten haben. Später wurden die Verstorbenen verbrannt und in Tongefäßen/Urnen beigesetzt. Eine solche Urne, aus der Zeit des 3. Jahrhunderts nach Christi Geburt, fand sich 1955 bei Bauarbeiten im Bereich der Rosenstraße in Lügde. Die Urne stammt, wie von der Außenstelle des Landesmuseums in Bielefeld festgestellt wurde, aus einer römischen Töpferei in Rhein-Zabern.
Der wichtigste Vorgeschichtliche Punkt unsere Gegend ist die Herlingsburg, ein rund 334 Meter hoher Bergkegel oberhalb des Bad Pyrmont/Lügder Talkessels. Ursprünglich befand sich hier eine germanische Burg. Nach Untersuchung verkohlter Hölzer der Wehrbauten, sind Teile der Befestigung bereits um 200 vor Christi Geburt entstanden. Mit ihrer 7 Hektar großen Innenfläche ist sie, im Vergleich mit anderen Burgen dieser Zeit, recht klein. Sie konnte von 100-200 Personen verteidigt werden und bot rund 1000 Menschen, die in kleinen Streusiedlungen der Umgegend wohnten, Schutz vor Angreifern. Um diese eigentlich Fliehburg in Stand zu halten war sie, wie Fund belegen, von einigen Familien durchgängig bewohnt. Schon der bekannte Archäologe Dr. Friedrich Hohenschwert, von 1976-1986 Direktor des Landesmuseums in Detmold, vermutete hier u. a. den Sitz eines germanischen Edelings. Er schreibt dazu: „Die Herlingsburg kann, weil sie tiefer im Siedlungsgebiet der Cherusker liegt, eher die Burg eines cheruskischen Stammesfürsten gewesen sein, als die Grotenburg bei Detmold. Vielleicht war sie sogar einer der Plätze, an dem Arminius seine Mitstreiter versammelte.“ Nach einer alten Sage ist Arminius in der Herlingsburg gefangen, bis er einst glorreich wieder hervortritt. Damit gehört die Herlingsburg in die Reihe jener berühmten Deutschen Berge, wie z. B. der Kyffhäuser, in dem Friedrich Barbarossa eingeschlossen ist.
Nach der germanischen Zeit verfiel die Burg und wurde rund 700 Jahre später, im 8. Jahrhundert nach Christi Geburt, als sächsische Stammesburg gegen die vordringenden Franken wieder in Stand gesetzt. Sie lag strategisch sehr günstig. Danach verlor sie an Bedeutung für die Menschen, blieb ihnen aber stets als geschichtlich wichtiger Ort in Erinnerung. Unterhalb der Burg gibt es auf der Ostseite eine Hochfläche, die „Hovestadt“ genannt, die auch nach dem Verfall der eigentlichen Burg noch eine Weile besiedelt geblieben ist. Bei einer Begehung mit dem bereits erwähnten Dr. Friedrich Hohenschwert, fanden sich Reste sächsischer Grubenhäuser und Siedlungsspuren aus dem 11. und 12. Jahrhundert nach Christi Geburt.
Seit der Auffindung von Tacitus Schriften im 16. Jahrhundert, wurde nicht nur der Osning in Teutoburger Wald umbenannt, sondern auch die Herlingsburg in Hermanns/Arminiusburg. Bei der Trennung der Grafschaft Pyrmont 1668 behielten die Grafen/Fürsten zu Waldeck-Pyrmont, über einen schmalen Streifen vom Dorf Hagen zugänglich, große Teile der Burgfläche. Damals glaubten sie, hier habe in grauer Vorzeit die Stammburg der Grafen von Schwalenberg (später Waldeck) gestanden. Manche der alten Forscher machten sogar den sehr fantasiereichen Versuch, die Linie des Arminius bis zu den Schwalenberger Grafen fortzuspinnen.