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Aus Geschichtliches aus Bad Pyrmont
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Beschreibung[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]

ocr-extrakt: ein Pyrmonter Dorf Beiträge zur Dorf-Geschichte von Hermann Trost ein Pyrmonter Dorf im Beiträge zur Geschichte von Hermann Trost Vorwort In den zurückliegenden vierzig Jahren haben weit mehr als zwanzigtausend Menschen durch die Umschulung im Berufsförderungswerk eine neue Chance für ihr Leben erhalten. Nach dem Ende des zweiten Weltkriegs war die Versehrten-Schule zunächst zehn Jahre lang im Pyrmonter Schloß untergebracht. Danach war sie sechs Jahre im Haus der ehemaligen Zigarrenabrik Zetzsche. Vor etwa fünfundzwanzig Jahren begann das Berufsförderungswerk in der Winzenbergstraße. In der ganzen Zeit war die Schule eng mit dem Pyrmonter Stadtteil Holzhausen verbunden. Die Herausgabe der vorliegenden Arbeit ist als Zeichen dieser Verbundenheit gedacht. Die Texte mit den illustrierenden Bildern behandeln Ausschnitte der interessanten Vergangenheit Holzhausens. Anfang Juni 1986 wählten Christian Weinreich und Peter Gärtner den vorhandenen Schriftsatz und die Bildreproduktionen für em Layout, fertigten da- nach die Filmmontagen und die Druck- platten und legten diese Arbeitsprobe der Prüfungskommission der Industrie- und Handelskammer in Hannover zur Zwischenprüfung vor. Nach fünfzehnmonatiger Ausbildung darf die Arbeit an diesem Heft wohl als gelungen bezeichnet werden. Hergestellt im Berufsförderungswerk Bad Pyrmont 1986. 2 Ein fast vergessener Weg Die alte Verbindung nach Sonneborn Im Schnittpunkt der Luftlinien zwischen Hagen-Grießem und Sonneborn-Holzhausen liegt eine von drei Seiten mit Wald umstandene, wildreiche, landwirtschaftliche Fläche. die Albreite. Im Frühjahr des Jahres 1985 wurde hier eine seit langem als Weide genutzte Fläche um- gepflügt Auf diesem frisch gepflügten Acker ent- deckte ich eine 2-3 m breite Bodenverfär- bung. Endeutig em alter Weg. Die entdeckte Bodenfärbung weist in westli- cher Richtung, am neuen Hochsitz des Jagdpachters vorbei, auf einen überwucher- ten alten Hohlweg, der am Waldrand entlang auf Sonneborn zufuhrt. Die östliche Richtung der Spur über den Acker weist auf ein durchs Gebüsch ver- decktes, noch gut sichtbares Stuck des al- ten Fahrweges. Der tief eingeschnittene Hohlweg zum Papenberg Hier entdeckte ich sogar Reste der alten Pflasterung. Die Wegerichtung weist in Richtung Holz- hausen auf einen aurch den Wald verlaufen- den, tief eingeschnittenen Hohlweg, der noch gut sichtbar ist. Heute gibt es keine direkte Verbindung zwi- schen Holzhausen und Sonnebom. Der bestehende land- und forstwirtschaftli- che Fahrweg zur Albreite läuft zum Teil paral- lel zum alten Weg. Durch diese Beobachtung aufmerksam ge- macht, suchte ich in alten Landkarten. In der Planprojektkarte Holzhausen aus dem Jahr 1889 ist bereits der heutige Weg einge- zeichnet. Das Blatt 2223 der Plankammer der Königli- chen Preußischen Landesaufnahme etwa aus dem Jahr 1895 zeigt den alten und Teile des neuen Weges. Durch den Anschluß Pyrmonts ans Eisen- Am Waldrand entlang führt der alte Hohlweg nach Sonneborn 3 oahnnetz im Jahre 1872 und den Ausoau der Straße zu Hagen verlagerte sich der Ver- kehr. Die alte Verbindung zwischen Holzhausen und Sonneborn ist wahrscheinlich für den regelmäßigen Verkehr vor ca. 90 Jahren nicht mehr benutzt worden. Die von Hauptmann Overheide im Jahr 1752 gezeichnete Karte der Grafschaft Pyr- mont zeigt deutlich den alten Weg. Ebenso die Rothweil-Karte von Pyrmont aus dem Jahr 1740. Er führte von der Altbreite. nur wenige Meter von der Landesgrenze zum Hannoverschen entfernt, am -Dreilandereck- auf hppisches Gebiet. Die früheste Erwähnung einer Pyrmonter Postverbindung stammt aus dem Jahr 1716. Im Auftrag des Landgrafen Carl von Hessen wurde durch den Kurhessischen General- postmeister Graf von Bar die -Bremer fah- Inschriften auf Dielenbalken in Holzhausen rende Post- eingerichtet. Sie führte von Bremen über Minden, Rinteln. Alverdissen, Sonnebom nach Pyrmont. Von hier ging es weiter über Lugde, Rischenau, Höxter und Beverungen nach Kassel. Die erste Postkutsche kam also über diesen alten Weg nach Pyrmont. Die Postverbindungskarte aus dem Jahre 1805 zeigt die Stationen dieser Poststrecke. Viele bekannte Brunnengäste, wiez. B. Köni- gin Luise, sind über diesen Weg ms Pyrmon- ter Tal gekommen. Viel größer aber ist die Zahl der unbekannten Kurgäste, oie diesen Weg benutzten. Die Landbevölkerung, die weder in Kurlisten noch in Schlüsselgeldbüchern aufgefuhrt wurde, kam zum großen Teil aus dem Min- den-Ravensberger Land. Die Bückeburgerinnen, die zur Kur nach Pyr- mont kamen, sind mit ihren malerischen Trachten heute noch nicht vergessen. Fru- Stich von 1720 (Ausschnitt)

her benutzten sie die kürzeste Verkehrsver- bindung und die ging über Sonneborn- Holzhausen. Wann dieser Fahrweg angelegt wurde, ist nicht bekannt. Ob im Dreißigjährigen Krieg über diesen Wäg schon Kanonen transportiert wurden, weiß man bis heute nicht. Was man ahnen kann, wenn man es sieht, ist die Arbeit und Mühe, die der Hohlweg am Hang zum Papenberg gemacht hat. Viele Kubikmeter Gestein mußten gebrochen werden, bis em Fuhrwerk den Weg befahren konnte. Die Väter und Söhne aus Holzhausen hatten sicher viel Mühe damit. Sie waren zum Wegebau und zu Hand - und Spanndiensten ebenso verpflichtet, wie wir heute zu Steuern. Die Zeit wird die Spuren dieser alten Merbin- dungsstraße weiter verwehen. Vielleicht könnten Sie, verbunden mit einem Sonntagsspaziergang, den alten Weg nach Sonneborn wieder entdecken. Es lohnt sich, denn die Albreite ist em schö- nes Stückchen Erde. Die Doppelaxt Im Eingangsbereich des Pyrmonter Mu- seums, liegt in einer Glasvitrine eine Doppel- axt. Neben den anderen heimischen Funden aus den Epochen vor unserer Zeitrechnung bleibt sie meist unbeachtet. Ein kleines Schild vor dem Fundstück be- sagt: -Doppelaxt aus Kupfer-. Gefunden im Moor bei Holzhausen. Es war im Frühjahr des Jahres 1900, als beim Ausheben von Verkopplungsgräben in der Nähe der jetzigen Straße Am Bruche, in einer Tiefe von 2,5 Meter dieser Fund an's Tageslicht kam. Sicher haben sich die Ander über die Axt ebenso gewundert wie der heutige Betrach- ter beim genauen Hinsehen. Das viel zu kleine Schaftloch konnte niemals einem richtigen Stiel zur Befestigung dienen. So wurde die Vermutung geäußert, daß es sich bei der Holzhäuser Doppelaxt um einen Kultgegenstand handelt. Der Brunnendirektor Freiherr von Hundels- hausen, der den Fund bekam, schickte ihn im Juli des Jahres 1905 an den Berliner Fachmann für Altertümer Schumacher. Die- ser ließ bei Prof. Rathgen eine Metallanalyse durchführen. Sie ergab, daß es sich bei der Doppelaxt um zinnfreies Kupfer handelt. Sie ist 33 cm lang, an den Schneiden 6,9 cm breit und in der Mitte ist sie bei einer Dicke von 3.2 cm nur 2 cm breit. Fachleute gehen davon aus. daß die Axt aus dem Holzhäuser Moor aus der Kupfer- zeit stammt. Diese relativ kurze Zeitspanne am Anfang der Bronzezeit liegt jetzt etwa 4000 Jahre zurück. Das Stielloch ist un- regelmäßig oval und hat oben und unten eine lichte Weite von ca. 1 cm mal 1.5 cm. Zur Mitte verengt sich das Loch auf 0,8 cm. Für einen Axtstiel also wirklich zu klein. Wozu ist aber eine Axt nützlich, wenn sie nicht als Werkzeug genutzt werden kann? Auf diese Frage hatte der Gelehrte Naue schon vor 100 Jahren, bei ähnlichen Fund- stücken, die Antwort gegeben. Er wieß nach, daß es schon sehr früh auf Zypern eine Art Ringgeld aus Kupfer ge- geben hat. Die größeren Beträge waren, wie heute noch bei Gold üblich, als Metallbarren im Umlauf. Das Loch in der Mitte diente nur dazu, an einer Schnur sein Geld besser tragen zu können. Die Form einer Doppelaxt für diese hohen Beträge, erklärte der deutsche Archäologe A. Lissauer im Jahr 1905 auf dem ersten Internationalen Archäologen-Kongreß in Athen, wo auch der Pyrmonter Fund der Fachwelt vorgestellt wurde. Grabungsergebnisse in Griechenland und dem Mittelmeerraum zeigten demnach, daß die Form der Doppelaxt schon sehr früh ein Symbol für weltliche Macht war und als Ho- heitszeichen gebraucht wurde. Auch im skandinavischen Raum hatte man in Gräbern aus der frühen Bronzezeit Perlen aus Bernstein in der Form von Doppeläxten gefunden, die darauf schließen lassen, daß es als segenbringendes, religiöses Symbol betrachtet wurde. Auf Cypem wurde diese Form als Zeichen der höchsten Macht verehrt. Ähnliche Funde von Doppeläxten sind aus dem Rhein-Main-Gebiet um Mainz bekannt, ebenso aus dem Saale-Gebiet um Halle. Auch in der Schweiz und Südfrankreich sind Funde an's Tageslicht gekommen. Wie lange die Pyrmonter Doppelaxt im Holz- häuser Moor lag und auf welchem Wege dieser Vorläufer unseres heutigen Geldes dort hin kam, wird für immer im Dunkeln blei- ben. Wenn Sie, verehrter Leser einmal in’s Pyr- monter Museum kommen, sollten Sie als Betrachter der Kupferaxt bedenken, daß Sie vor einem größeren Betrag stehen. Kugelflasche aus dem Ende der jünge- ren Steinzeit. Gefunden im Moor unter dem Steinbrink. Mahlstein Gefunden im Moor bei Holzhausen 5 Die Erdfälle Stofc tn JHttn (I $4 = 31.385 tw 8h ob«» «rtfoO: S« oben Surtimifln......................... o-b - 5i.6o» Surtimtll« bn 3®i|M>ittrtb .................. M - 43.90 ■ HWibbt ob bet Sortfnlt..................... b-x - £3,80 m Hftfflöti» on bnJübfcit»................... o-x - ii.oom W bfl mlMmtn »nlfnltonb ................... t-f - 10,30» MinfT.fAnnA lihM 4m»n»l Im mlHlinn ■woiitrnonö uw! wiii -cpirpfi öm nrniirrrn <rtMs..................................... H - 7.50» 'intftmunj jura minlffin {«fall......... 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Dort begann er auf Anweisung von OberförsterWiegand die Wurzeln abgeschlagener Bäume, kurz Stuken genannt, aus der Erde zu heben. Das gefiel den Holzhäusern nun ganz und gar nicht. Zu dieser Zeit regierte Fürst Georg Friedrich Heinrich von Waldeck und Pyrmont. Er hatte mächtig mit den Schulden seines Onkels zu kämpfen. Mit diesem Fürsten Friedrich hatten die Pyr- monter Untertanen einen 68 Jahre dauern- den Prozeß geführt. Danach schlossen die Dörfer Holzhausen und Hagen am 16. Februar 1793 mit ihrem Fürsten einen Vergleich ab. In diesem Holzhäuser Ablösungsvergleich war neben vielen anderen Punkten, im § 10 das Gabeholzrecht geregelt. Es würde bei diesem Thema zu weit führen auf diese Re- gelung und ihre Bedeutung einzugehen. Die Holzhäuser Untertanen lebten jedenfalls mit der Berechtigung, preiswert an Heiz-, und Brennmaterial zu kommen. Wb die Gabeholzration nicht ausreichte, holte man sich Sammelholz oder Stuken. Dieses uralte Recht war für die Holzhäuser so selbstverständlich, daß es beim Haupt- vergleich gar nicht geregelt werden mußte. Man hatte es Ihnen auch nie streitig ge- macht. Und nun rodete Siemens im Holzhäuser Wald »Ihre Stuken«. Eine Abordnung der Holzhäuser geht zu Sie- mens und seinen Helfern in den Wald und macht ihn auf die Rechtsverletzung auf- merksam. Sie müssen es ihm wohl deutlich gesagt haben, denn Siemens, der Pächter und Verwalter des Brauhofs, hört mit dem Stukenroden auf. Obwohl, so sagt er, die Erlaubnis von der fürstlichen Domänen- Kammer voriiegt. Bei dieser Behörde legen die Holzhäuser ihre Beschwerde vor und bitten um Abstellung. Ärger statt Hilfe Die Domänen-Kammer lehnt den Antrag der Holzhäuser am 1. September 1824 ab. Dabei stützt sie sich auf einen Bericht des Oberförsters Wiegand. Sogleich setzen die Holzhäuser ein zweites Schreiben auf. Diesmal an den Durchlauchtigsten Fürsten selbst. Es wird dem Justizrat mit der Bitte um schnelle Erledigung überreicht. Holzhausen wartete auf das Fürstliche Machtwort. Ein Tag nach dem anderen vergeht, aber nichts geschieht. Dann, am 20. November 1824 geschieht das. was die Holzhäuser befürchtet haben. Mit zweiundzwanzig Arbeitern, drei Wagen und den fürchterlichen Flaschenzügen, zieht Amtmann Siemens in den Holzhäuser Wald zum Stukenroden. Sofort wenden sich die Holzhäuser an das Ober-Justiz-Amt in Pyrmont mit der Bitte um schnelle Hilfe. Dort werden sie abgewiesen. Mit finsterer Miene und Zorn im Bauch über- legen sie, was zu tun ist. Entweder sie sehen zu wie der Siemens, in wenigen Tagen vor ihren Augen, alle Stuken aus dem Holzhäuser Wald holt, oder sie grei- fen zur Selbsthilfe. Der Glaube an die Hilfe durch die Obrigkeit ist schwach. Das Vertrauen in die eigene Kraft zum Schutze des Besitzes und des Rechts schon größer. So entschieden sie sich, wie sich die Holzhäuser entscheiden. Gemeinsam gehen sie zu Siemens in den Wald und »beenden die Arbeiten«. Dann bringen sie die bereits gerodeten Stuken zum Gemeindeplatz und deponieren sie dort. Zwei Tage danach ereignete sich ein kleiner Zwischenfall, em Händel zwischen dem Schuhmacher Hagedorn und dem Polizi- sten Kersten. Dummerweise gibt später der Polizist an, der Schumacher habe ihn am Kragen sei- nes Mantels vom Pferd zu reißen versucht. Ritt er ein Pony, oder war Hagedorn zwei Meter fünfzig groß? Wahrscheinlich hat es sich anders abge- spielt. Am dritten Tag spitzt sich die Lage zu. Eine Anzahl von Untertanen aus Holzhausen wird auf das Ober-Justiz-Amt in Bad Pyr- mont geladen. So gehen sie am 23. November 1824 zum angesetzten Termin und erhoffen sich hier das Recht, das der Gerechtigkeit entspricht. Doch es kommt anders. Der Gerichtstermin läuft gerade, da rückt auf dem Gemeindeplatz in Holzhausen ein Militärkommando an und auch Amtmann Siemens mit herbeigeschafften Wagen ist da und man beginnt, die deponierten Stu- ken aufzuladen. Die Daheimgebliebenen sehen sich geleimt und rot. Einige laufen zur Gemeindeglocke und diese ruft zusammen, was Beine hat. Für Siemens und die vier Soldaten wird die Lage bedrohlich. Sie fuchteln mit Bajonett und Säbel in der Luft herum. Emer der Unifor- mierten heizt die Stimmung noch unnötig an, als er den aufgebrachten Holzhäusern zuruft: »Ihr sollt verrecken wie die Hunde«. Darauf erwidern Friedrich Windel und Georg Steinmeier den Soldaten Zöllner, Krüger, Müller und Schmidt, daß man ihrer in Holz- hausen noch gedenken wolle. Die Betroffenen verstehen das völlig richtig, als eine Androhung von Prügel. Da es so nicht weitergeht, zieht sich das Kommando zurück. Auf dem Gemeinde- 7 platz bleiben die Stuken und die Hoiznauser. Die Anderen sind noch beim Genchtstermin und so beschließt man, ihnen entgegen zu gehen. Der Schmied Meinberg stellt sich an die Spitze des Zuges und ruft:»Nur vorwärts«! Dann gehen sie zum Schloß. Unterwegs und dort angekommen singen sie das schöne Lied: »Ein freies Leben führen wir«. Für die Obrigkeit riecht es nach Aufmüpfig- keit, Aufruhr, Revolution. Das Lied jedoch kennen viele der Männer aus ihrer Militärzeit, die sie bei dem Fürsten ableisten mußten. Der Gegenschlag Die fürstlichen Beamten tun das, was fürstli- che Beamte in solchen Fällen tun. Sie lassen Zeit verstreichen. Fast zwei Jahre vergehen bis den Holzhäu- sern die Gerichtsurteile zugestellt werden. Zu viertägigem Amtsgefängnis werden ver- urteilt: Schumacher Friedrich Hagedorn, Konrad Page, Friedrich Windel, die Ehefrau des Leib- züchters Steinmeier, die Ehefrau des Chri- stian Zurmühlen, der Feldknecht Christof Niebuhr, Friedrich Froböse und Heinrich Fro- böse, weil sie die Gemeindeglocke gezogen und damit zu Tumult und Aufruhr gereizt ha- ben. Vier Tage Amtsgefängnis, bei halb Wasser und Brot, bekommen: Friedrich Wndel und Georg Steinmeier, weil sie den Soldaten gedroht haben und so- wieso die Schlimmsten waren. Ebenfalls vier Tage, bei halb Wasser und Brot, bekommt der Schmied Meinberg, weil er sich an die Spitze des Zuges gestellt und gerufen hat: »Nur vorwärts«. Schumacher Hagedorn muß auch vier Tage in den Knast, weil er den Polizisten Kersten am Mantelkragen vom Pferd zu ziehen ver- sucht hat. Für acht Tage müssen alle iris Amtsgefäng- nis, die unter singen des Liedes: »Ein freies Leben führen wir-, auf tumultar- tige Weise nach Pyrmont gezogen sind und sich vor dem fürstlichen Schloß aufgestellt haben. Schmied Meinberg, Friedrich Linder, Hein- rich Krugmeier. Friedrich Suljefind, Schnei- der Ohm, Georg Heuer, Christof Schreel, Schumacher Konrad Runte, Chnstian Win- del, Christoph Büsener jun., Heinrich Gehle, Friedrich Ahrens, Schmied Heinnch Stein- meier, Friedrich Windel, die Ehefrau des Leibzüchters Hermann Steinmeier, geb. Windel, die Ehefrau des Heinnch Grawe, die Ehefrau des Chnstian Zurmuhlen, die Ehe- frau des Georg Engel. Friedrich und Heinnch Froböse, Moritz Zöllner, Schuhmacher Chri- stoph Oelschläger, Lehnbursch Friedrich Siebert, Heinrich Schünemeier jun., Louis Couppee,' Heinrich Steinmeier. Christian Zurmühlen. Johann Burkhard Ritterbusch. Georg Steinmeier, Heinrich Grawe, Heinrich Steinhage, Fnedrich Stuckenbrock, Bernd Hilmer, der Sohn des Wilhelms Stucken- brock und Georg Froböse. Der Ärger der Verurteilten war groß. Also gin - gen sie zum Anwalt und zwar, wie die Holz- häuser nun 'mal sind, zu einem ausländi- schen. Es war der Jurist Marquart in Ha- meln. Dieser hörte sich die Schilderung der Vorfälle von 1824 an. wie die Verurteilten sie darstellten. Ca. vierzehn Tage später hatte er die umfangreiche Verteidigungsschrift fertiggestellt, mit der die Holzhäuser auf dem Pfade zur Gerechtigkeit in die Berufungsin- stanz gehen. Ob die Stucken vom Gemeindeplatz doch zum Braukamp geschafft wurden, oder Holzhäuser Häuser wärmten, ist nicht über- liefert. Auch der Ausgang der Berufungsverhand- lung ist bisher nicht bekannt. Wohl aber, daß die Holzhäuser keineswegs pflegeleicht wa- ren. Hätte sich der ganze Stukenärger vom Iberg einige Jahre später zugetragen, wäre es si- cher wie im Waldeckschen gewesen. Dort kam bei der Revolution 1848 die fürstli- che Familie ungeschoren davon, aber einige unliebsame, fürstliche Beamte bezogen tüchtig Prügel. Holzhausen war in seiner langen Vergangen- heit nie wohlhabend. Hinter vielen Dielentü- ren reichte es gerade zum Notwendigsten, und der Anteil der Beiwohner und Tagelöh- ner war hier besonders groß. Trotzdem wa- ren sie nicht unterwürfig sondern suchten mit gesundem Selbstbewußtsem ihr Recht. Dafür gebührt den Altvorderen auch nach einhundertsechzig Jahren unser Respekt. Die alte Kirche von Holzhausen _______________________________________ Zwei Jahre vor dem ersten Weltkrieg soll auf dem Vietmeyer’schen Grundstück in der Wohrtdrift ein neues Haus gebaut werden. Die Mauerleute schachten die Baugrube aus und finden dabei Gebeine und Schadel- knochen. Seitlich der Baugrube wird der Erdaushub abgelagert und in einer makarberen Galerie, pflanzen die Bauhandwerker die Totenschä- del der Reihe nach, oben auf den Erdhau- fen. Etwa zwei Dutzend sind es. Lehrer Holzmann von der Holzhäuser Volks- schule geht an einem Vormittag mit seinen Schulkindern dorthin. -Seht her Kinder, - sagt er: -Hier war früher einmal ein Friedhof.- Einer, der damals als Schüler dabei war, erzählte mir diese Bege- benheit. Zwei Jahre nach Ende des zweiten Weltkrie- ges macht man bei Kanalisationsarbeiten vor dem 1912 erbauten Haus ähnliche Funde. Weder heute noch damals konnten sich alte Holzhäuser erinnern, daß in der Wohrtdrift jemals ein Friedhof war. Noch weniger be- kannt ist es, daß wahrscheinlich auf diesem alten Krchhof einmal eine Krche stand. Lehrer Brauß, den noch viele Holzhäuser gekannt haben, war einer der wenigen, die sich mit der Vergangenheit der Ortschaft auskannte. Viele Straßennamen in Holzhau- sen gehen auf seinen Vorschlag zur Benen- nung zurück. So auch der Verbindungsweg zwischen Grießemer Straße und Wohrtdrift, Kapellengasse genannt. Mit dieser Kapelle ist die alte Holzhäuser Krche gemeint. Erwin Brauß kannte bestimmt den alten Stich der de Situation der Pyrmonter Schloßbelagerung von 1630 wiedergibt und auf dem für den oberen Holzhäuser Dorfteil eine Krche abgebildet ist. Er kannte auch das Holzhäuser Saalbuch von 1668, das von Schulrat Manthey iris Lesbare übersetzt war und von Brauß durchgesehen wurde. Darin wird u.a. eine Feldgrenze angegeben, die -auf den Fried- hof stoßend« bezeichnet wird und den Be- reich der oberen Wohrtdrift meint. Damit sind die Hinweise und Quellen, die über eine Holzhäuser Kirche in Pyrmont zu finden sind, nahezu erschöpft. Interessanter wird es da schon, wenn man zufällig ein Buch in die Hand bekommtg, das von dem Pastor und Superintendenten. Ludwig August Theodor Hölscher geschrie- ben wurde und vor einhundert Jahren in Münster erschien. Hölscher beschreibt darin die ältere Diözese Paderborn. Hier finden wir den frühesten Hinweis auf eine Krche in unserem Holzhausen. Er ist aus dem Jahre 1173. Das ist immerhin noch 11 Jahre früher als die alte Burg auf dem Schellenberg erwähnt wird. In der alten Urkunde übergibt Werner von Brach seine Güter dem Koster Gehrden. Zu den Zeugen, die diese Urkunde bestäti- gen, gehört auch «Fndericus plebanus in Holthusen.« Damit wissen wir. daß vor über 8(30 Jahren der Holzhäuser Pfarrer Fridencus hieß und wo em Pfarrer ist, da muß auch eine Kirche sein. Im Kontributionsregister des Archidiaconats Steinheim, zu dem die Grafschaft Pyrmont gehörte, aus dem Jahre 1480. wird Holzhau- sen als Kirchort aufgeführt. Ebenso er- scheint die Holzhäuser Krche im Steinhei- Holtfrn / .J mAMWx *


mer Archidiaconatsverzeichnis von 1408. Wahrscheinlich bis zum Anfang des Dreißig- jährigen Krieges hat Holzhausen seine ei- gene Krche gehabt. Die Größe des Ortes und die Anzahl der Ein- wohner läßt darauf schließen, daß es kein großes Gotteshaus war. Zwischen der ersten Urkunde aus dem Jahr 1173 und der wahrscheinlichen Zerstörung der Kirche im Jahr 1622 liegen 550 Jahre, in denen Holzhausen vielleicht ohne Unterbre- chung. Krchort war. Außer den bisher angeführten Urkunden gibt es aber noch mehr Hinweise über Holz- hausen und seine alte Krche. So ist auf Seite 331 in dem von Spilker herausgegebe- nen Eversteiner Urkundenbuch zu lesen, daß ein gewisser Johann von Huckenhusen in Holzhausen reich begütert gewesen sein muß. Im Jahre 1354 erhält von ihm das Kloster Marienfeld -die curtis in Holthusen mit 4 Mansen, einem Fischteich und der Mühle beim Dorfe Holthusen.« Hier war also vor mehr als 630 Jahren schon eine Mühle in Betrieb. Bei der vom Amtsschreiber Judenherzog durchgeführten Bestandsaufnahme der Grafschaft, nach der Abtrennung Lügdes, aus dem Jahr 1668. gaben einige Holzhäu- ser an, ihr Besitz sei -Marienfeldisch.« Abgaben wurden zu dieser Zeit nach oort nicht mehr entrichtet. Zu den Grundherren in Holzhausen zählten außer dem Kloster Marienfeld auch das Kloster Fischbeck und

9 Adelige wie die Kannen aus Lügde und die von Post. Wahrscheinlich hatte auch Kloster Corvey hier Besitz, der später an die von Münchhausen aus Schwöbber zur Nutzung vergeben war. Dieser Teil ist aber noch nicht abschließend geklärt. Die landherrlichen und eventuell auch die leibeigenen Abhängigkeiten der Menschen m Holzhausen können Thema einer späte- ren Arbeit sein. Die Holzhäuser Kirche gehörte zum Gebiet des Paderborner Bischofs. Diesem hatte die Pfarre jährlich 7 Schillinge zu geben. Geld und Geldwert dieser lange zurücklie- genden Zeit sind uns heute fremd. Eine Ge- genüberstellung aus dem Jahr 1601 mag das verdeutlichen. Ein Schilling war soviel wie ein Kortling. wie ein Drittel Mariengroschen. wie vier Pfennig oder zwei Lippische Pfennige. Der Wert des Pfennigs ist mit dem heutigen in keiner Weise mehr verglejchbar. Die Kirche hatte aber nicht nur Ausgaben sondern auch Einnahmen. Dcrwaren die Gebühren für kirchliche Amtshandlungen, die Gerechtsame des Pfarrers und die Ein- nahmen aus dem Kirchenbesitz. Im Jahre 1552 besaß die Holzhäuser Kirche 24,5 Morgen und 9 Forlinge heuerpflichtiges Land. Dafür betrugen die Einnahmen, drei Malter Roggen und drei Malter Hafer von zwei Pflichtigen. Dazu kamen noch 18 Groschen und ein Huhn an Hofzins von vier Pflichtigen. Die Ländereien waren alle sechs Jahre neu zu bemeiern (verpachten). Das Bestreben der Pächter des Kirchenlandes, aus Zeit- pachtverhältnissen in Erbpacht überzuge- hen. kann in der Zeit der Reformation mit dazu beigetragen haben, daß die Holzhäu- ser Pfarre unterging. Daß im Bistum Paderborn Gebühren für kirchliche Amtshandlungen und für die Aus- teilung der Sakramente erhoben wurden, ist bereits aus den Jahren 1254 und 1304 be- zeugt. Über die Gebühren der Holzhäuser Kirche fehlen jegliche Angaben. Es ist aber anzu- nehmen. daß die Preise ähnlich wie in Oes- dorfwaren. Aus derZeit nach 1552 sind von dort die Gebühren bekannt. Eine Kndtaufe kostete demnach einen Kort- ling. ein Patenopfer und dem Pfarrer einen Tag frei dienen. Die Taufe eines unehelichen Kindes war im allgemeinen wesentlich teu- rer. Beichtgeld und Oofer kostete einen Gosse- ler. So nannte man den Goslarer Groschen wie er seit 1500 geprägt wurde. Ein Krankenbesuch kostete einen Gro- schen und die Beerdigung des Hausherren, drei Groschen, einen Hahn und em Brot. Das Begräbnis der Hausfrau dagegen, drei Groschen, em Huhn und ein Brot. Der Wert für eine Trauung war fünf Gro- schen. zwei Hühner und dem Pfarrer zwei Tage frei dienen. Ein bedeutender Pfarrort. wie etwa Lügde, war Holzhausen nie. Aber es war Bistums- grenze. Sonneborn, Tappen, Grießem und Reher gehörten bereits zum Bistum Minden. Oesdorf, Löwensen und Vesperi, ein unter- gegangener Ort, der in der Nähe des heuti- gen Pyrmonter Bahnhofs vermutet wird, wa- ren in der Regierungszeit des Paderborner Bischofs Imad. von der Lügder Pfarrei abge- trennt worden. Vor dieser Zeit gehörte der gesamte Pyr- monter Talkessel zur Lügder Kirche. Das Christentum kam wahrscheinlich erst mit Karl dem Großen hierher. Der Frankenkö- nig unterwarf in vielen Schlachten die hier ansäßigen Sachsen. Bei seinem Wmterfeldzug im Jahr 784 war Karl der Große mit seinem Heer in Lügde. Der Ort Lügde hatte zu jener Zeit noch nicht seinen heutigen Standort. Das Dorf Olden- lüde lag in der Nähe der Hamborner Mühle. Wahrscheinlich geht die erste Kirche im Pyr- monter Talkessel auf diese Zeit zurück. Es darf bezweifelt werden, daß die Sachsen nur aus Überzeugung die Religion der »Be- satzungsmacht- annahmen und nur aus Begeisterung zur Taufe gingen. Das von Kaiser Ludwig dem Rommen im Jahr 822 gegründete Missionskloster Cor- vey, war in dieser Gegend auch nicht untä- tig- Bereits im 9. Jahrhundert hatte Covery durch Schenkungen Eigentum in und bei Lügde und vergrößerte im Laufe der Zeit seinen Besitz. Über den genauen Standort und das Ausse- hen der alten Holzhäuser Kirche wissen wir nichts. Der Stich von 1630 besitzt nur wenig Glaubwürdigkeit. Vielleicht stößt man einmal bei Tiefbauarbei- ten auf alte Fundamente, die dann hoffent- lich erkannt werden und uns etwas von der Ortsgeschichte verraten. Als nach dem zweiten Weltkrieg die Holz- häuser Johannes-Kirche gebaut wurde, ha- ben sicher nicht viele Holzhäuser Menschen daran gedacht, daß vor 1200 Jahren das Christentum in diese Gegend kam und Holz- hausen vor langer Zeit schon einmal über 500 Jahren lang Kirchdorf war. Quellenverzeichms: Christoph \£>lker: Geschichte der katholischen Kirche in der Grafschaft Pyrmont bis 1668 I. Teil Dissertation Druck: Ferd. Schöningh/Paderborn 1937 Ludw.Aug.Theodor Hölscher: Die ältere Diözese Paderborn nach ihren Grenzen, Archidiakonaten. Gauen und alten Gerichten. Druck: Vertag der Regensburg’schen Buchhandlung/Münster 1886 Sonderdruck aus der Zeitschrift für Geschichte und Altertumskunde Westfa- lens. 10 A Holzhausen im Jahr 1854 Das Neueste von Gestern. Holzhausen im Jahr 1854 Sicher, auch die große Politik und die wichti- gen Dinge der Welt interessierten die Men- schen damals. Aber das Naheliegende nahm auch damals, vor mehr als hundertdreißig Jahren, das In- teresse der Menschen in Anspruch. So ist es sehr wahrscheinlich, daß es in Holzhausen bei manchen Wirtshausdisku- sionen. beim Plausch zwischen Nachbarin- nen und vielen Gesprächen am abendli- chen Familientisch, bei flackender Beleuch- tung um das Neueste aus Holzhausen ging. Heinrich Fischer, der erste Bürgermeister in Holzhausen, war noch keine vier Jahre im Amt, als die Sanduhr des alten Jahres ablief und das Jahr 1854 mit Prosit Neujahr be- grüßt wurde. Zur gleichen Stunde trat die neue Salzver- brauchskontrolle in Kraft. Ab Januar war im Fürstentum Pyrmont der freie Handel mit Salz verboten. Es gab aber auch Erfreuliches. Der junge Fürst geruhte gnädigst, für den Kirchenkreis Pyrmont den Oesdorfer Kircheninspektor Wolff zum Superintendenten zu ernennen. Die miese Ernte des Vorjahres und der hohe Schneefall im Januar des jungen Jahres, wirkten weiter verteuernd auf die Lebensmit- tel. In Pyrmont rief man nach der Polizei, um der bettelnden Kinder Herr zu werden. Sie ka- men vor allem aus Lügde und Holzhausen. Im Jahr zuvor, auch das erfuhren die Holz- häuser im Januar, wurden in ihrem Dorf 12 Knaben und 21 Mädchen geboren. Zwei der Neugeborenen waren, - oh welche Schande-unehelich. Von den 35 Verstorbenen des Jahres 1853 waren 17 Kinder. Die. die etwas besaßen, klagten über die Erhöhung der Klassen- steuer und der Grundsteuer, die gleich um 25% angehoben wurden, und die, die nichts besaßen, hatten Hunger. Die erst drei Jahre alte Zeitung von Pyrmont weigerte sich, einen Leserbrief zu veröffentlichen, in dem behauptet wurde, daß die Knechte und Mägde in Holzhausen nicht genug zu essen bekämen. Viele litten unter der Zukunftslosigkeit und sannen auf Abhilfe. Februar Am 3.2.1854 wurde die domkapitularische Schaflente in der Holzhäuser Feldmark von Kreisrentmeister Lynker für sechs Jahre neu verpachtet; öffentlich und gegen Höchstge- bot versteht sich. Doch dafür interessierten sich nur wenige. Dagegen versuchte man- che Mutter dem Rat der Nachbarin zu folgen und das wenige Mehl mit Kleie oder Rüben zu strecken, damit es mehr wurde. Beim zuständigen Kreisrat Herwig sprachen im Februar 1854 zwei junge Holzhäuser vor. Es war der 23jährige Soldat Heinrich Carl Moritz Kappmeier und die 25jährige Louise Henne. Beide wollten Päße haben, zur Aus- wanderung nach Amerika. Mitte des Monats ist sich der Gemeinderat einig und benutzt als erste Gemeinde im Fürstentum bei Beerdingungen den soge- nannten Leichenwagen. Übrigens haben konfirmierte Jünglinge des Dorfs die Möglichkeit, in der Fortbildungs- schule im Schreiben, Lesen und Rechnen unterrichtet zu werden. Eine ganze Anzahl von Einwohnern verdient den Lebensunterhalt durch die Zigarrenher- stellung. Doch, obwohl zwei neue Ge- schäfte zum Zigarrenmachen konzessio- niert sind, hat die Zahl der Zigarrenmacher weiter abgenommen. Der Februar endet schlimm. Am Samstagabend, es ist der 27 2.1854, bncht ein böser Sturm los. In der darauffol- genden Nacht werden viele Bäume entwur- zelt. r • i 1 W ’ 11 Auch in den Pyrmonter Alleen brechen einige der schönsten Linden. Am Morgen nach dem Sturm schrillt die Feu- erglocke. Aus dem Dach des Ölmüllers Kö- ster schlagen hohe Flammen. Heu und Stroh'ist auf dem Speicher gelagert und so findet das Feuer reichlich Nahrung und greift schnell um sich. Die Ortsspritze ist so schnell es geht zur Stelle. Auch die Oesdorfer und Lugder Spritze kommt. Das Vieh, das Mobiliar und die Waren werden noch knapp gerettet. Die Familie, und auch die gerade erst niederge- kommene Frau mit dem Säugling, müssen mit ansehen, wie das ganze Anwesen, bis auf die Grundmauern niederbrennt. Um 9.00 Uhr, am Sonntagmorgen, ist der ganze Spuk vorbei. Die Ölmühle stand etwa dort, wo jetzt die Neuapostolische Kirche steht. März Mit den ersten Frühlingsboten steigt nicht nur das Lebensgefühl und die Hoffnung, sondern auch die Preise. Der Humpten Rog- gen kostet jetzt einen Thaler und zweiund- zwanzig Silbergroschen. In Hameln ist er fünf Silbergroschen billiger. Wie die Men- schen mit ihren Sorgen fertigwerden ist un- terschiedlich. So geht Anfang März em Gerücht durch’s Dorf und Mitte des Monats erfahren es dann alle. Der Großköthner Heinrich Ritterbusch verkauft sein gesamtes Hab und Gut. Das Haus mit dem Backofen und den großen Obst- und Gemüsegarten, das Leibzuchts- haus, seine zweieinhalb Morgen Land auf dem todten Manne, die drei Morgen zwi- schen Begemann und Hilker. die sechs Mor- gen unterm Rapenberge, seine vier Morgen am Hackeberge und die drei an der Land- wehr. Auch das Stück an der Emmerbrücke und das in der Schleentrift wird verkauft. Die ganze Familie will mit dem Weserdampfer nach Bremen und dann nach Amerika. In diesen Tagen bemühen sich die beiden Holzhäuser Männer Meiser und Brinkmann, die leidige Nachlaßregelung für den verstor- benen Heinrich Vietmeyer zu ordnen. Sie sind zu diesem Ehrenamt verpflichtet und wollen es gerne loswerden. Aber auch Nachrichten aus der weiten Welt kommen nach Holzhausen. So auch vom fernen Türkenkrieg. Mit fünfzigtausend Mann, so kann man lesen, ist der Omar Pa- scha den zaristischen Russen entgegen- gezogen. Doch die Hausfrauen haben andere Sor- gen. Sie sind froh, wenn sie noch einige Kar- toffeln oder eine Rübe erstehen können. Zwar haben viele noch Korn im Haus aber das darf nicht verbraucht werden. Es wird in den nächsten Tagen als Saatgut benötigt. Bürgermeister Fischer macht sich Sorgen. Die schlechte Versorgung der Holzhäuser und die -Zukunftslosigkeit« gerade der vie- len ärmeren Bewohner bedrücken ihn. Jetzt verkauft auch der Kleinköthner Fried- rich Jürgens sein Haus, seine Gabeholzbe- rechtigung, seine Salzzuteilung und das Ak- kerland oben bei den Erdfällen. Die wollen auch nach Amerika. Die alte Bruchmühle Doch es gehen nicht nur Holzhäuser, es kommen auch welche. Die Frau des Grenz- aufsehers Falkenried bekommt eine Tochter, der Tagelöhner Steinhagen einen Sohn, das gleiche stellt sich bei Tagelöhner Hannibal ein. Auch bei Kaufmann Köster und Schmiede- meister Meinberg liegt männlicher Nach- wuchs m der Wiege. Beim Kleinköthner Klemsorge ist es ein kleines Mädchen und auch Wilhelmine Hunecke hat ein Kind, aber keinen Mann. Jetzt beginnt die Feldbestellung und der März geht zu Ende. April Der Maurer Heinrich Stuckenbrock hat die Ritterbusch’sche Großköthnerstelle gekauft und ist schon umgezogen. Dafür verkauft er jetzt sein bisheriges Haus. Die Preise für Brot und Getreide sind weiter- hin unverändert hoch. Die Holzhäuser, je- denfalls viele von ihnen, interessieren sich für die Lebensmittelpreise weitaus mehr, als für das neue Gesetz. Es beginnt: Wir Georg Victor von Gottes Gnaden regie- render Fürst zu Waldeck und Pyrmont. Graf zu Rappoltstein und Geroldseck am Was- singen verordnen:... Und dann folgt das Gesetz über die Enteig- nung, im Interesse der Mineralbrunnen. Dagegen empfinden es einige schon als bittere Ironie, als im Bericht der Spar- und Leihkasse steht,... daß gerade die ärmeren Schichten noch nicht nach Kräften sparen, weil sie den Nutzen des Sparens noch nicht begriffen haben. Wenig Interesse haben die Holzhäuser auch für die Fahrplanänderung der Postkutsche. Allerdings ist die Begründung neu. Die Pyr- monter Postkutsche kann in Paderborn erst zwei Stunden später abfahren, weil dann erst der Zug der Westfälischen Eisenbahn ankommt. Diese schnaubenden und dam- pfenden Maschinen fahren ganz ohne Zug- tiere. Mai Am 15. Mai gehen auch aus Holzhausen viele zur Beerdigung. Pastor Adam Wolff ist tot. Die Trauer, vor allem bei den vielen Ar- men, ist echt. 80 manchem hat er geholfen. Hoffentlich bleibt sein Werk, das Armen- und Krankenhaus Bethesda, bestehen. Bis jetzt ist das Frühlingswetter gut. So auch, als die Holzhäuser Männer zur Wahl gehen. Für den Waldeck-Pyrmonter Landtag wäh- len sie denVcllmeierTegtrneyer. Am meisten beschäftigt die Menschen im Dorf die Not mit den Nahrungsmitteln. Einige haben wirklich nicht mehr genug zum Es- sen. Doch die Saat auf den Feldern steht gut und gibt Hoffnung. Juni Anfang Juni muß der Tischler Heinrich Schulze jun. nach Arolsen zur Schwurge- richtsverhandlung. Er gehört zu den Ge- schworenen. Unterdessen setzt in Holzhau- sen Bürgermeister Fischer ein immer noch nicht geklärtes Thema auf die Tagesordnung des Gemeinderats: Die Feuerlöschordnung Dazu will die Gemeinde unter anderem den Platz neben dem Haus des Vcllmeiers Ge- org Steinmeier an diesen verkaufen, wenn er sich bereit erklärt, an der Stelle einen Löschwasserbehälter von 360 Kubikfuß an- zulegen. Obwohl Nachbar Bohleke gegen diesen Plan protestiert, wird er der fürstli- chen Regierung, mit der Bitte um Erlaubnis, vorgelegt. Der Juni bringt für viele eine freudige Ab- wechslung. Die Verarbeiten haben sich ge- lohnt und es wird ein Erfolg: das Schützen- fest. Hier der Bericht vom Holzhäuser Schützen- fest 1854: Holzhausen, 20. Juni: Gestern und vorge- stern feierte die hiesige Gemeinde unter leb- hafter Teilnahme ihrer Mitglieder das diesjäh- rige Schützenfest, ein Vclksfest im wahrsten Sinne des Wortes: denn jeder Einzelne trug dazu bei, durch Geselligkeit und ungezwun- gene Fröhlichkeit, gehalten in den Schran- ken des Anstandes, den Zweck eines sol- chen Festes -einige Heiterkeit« zu erreichen und zu bewahrheiten. Die frische Natur, Wal- desduft und blauer Himmel hatten zahlrei- che Gäste aus der Nachbarschaft herbeige- zogen, die mit den Schützen vermischt, auf moosigen Bänken ruhend (die hölzernen waren teils fußlos geworden) und unter den Buchen lagernd, ein Bild darboten, dessen romantischer, aber recht volkstümlicher Charakter sich nicht verkennen ließ. Betrachtete man diese fröhlichen Gruppen, die einfachen Bauersleute hier, dort ein Hau- fen spielender Kinder, drüben ein Flor städti- scher Damen und zwischendurch auch noch so manche reizende Züge und rosige Lippen schalkhaft lächelnder Pyrmonterin- nen, dabei nicht zu vergessen der festlich geschmückten Holzhäuserinnen und Schützen, die verklingenden Tone der Tanz- musik, welche freilich viel zu wünschen übrig ließ, das Jauchzen der Menge, Kanonen- schüsse und Trommelschlag, wenn ein Schuß sein Ziel gefunden und die Dame oder der Bube erschien; und über Alles das einigende Zeichen, unser vaterländisch Banner, prangend in den Farben: schwarz- rot-gold!... führwahr, wem hier nicht das Herz aufging, dessen Herz mußte öde und leer sein.- Leider wurde das schöne Fest am Sonntag noch vor Mitternacht durch ein heftiges, von starken Donnerschlägen und herabströ- mendem Regen begleitetes Gewitter unter- brochen um am Montag zeitig mit frischen Kräften und bei heiterem Himmel wieder zu beginnen. Juli Im Juli freuen sich viele Holzhäuser, daß die Mutter des regierenden Fürsten, die von vie- len verehrte Fürstin Emma, wieder einmal Pyrmont besucht. Gleichzeitig erläßt Fürst Georg Victor ein neues Gesetz. Danach dür- fen Neubauten nur noch mit Ziegel, Metall oder Schiefer gedeckt werden. Die übrigen Häuser müssen in einem Zeitraum von zehn Jahren das Stroh oder die Strohdocken durch Nichtbrennbares ersetzen. Das Wörter ist weiterhin gut und Sonntags können die Menschen aus dem Dorf auch mal zur Papiermühle gehen. In diesem Aus- flugslokal gibt es einen guten Beerenwein. (Die Papiermühle stand in der Nähe der Hamborner Mühle, gegenüber dem heuti- gen Wasserwerk.) Das Interesse an Auswanderung nach Ame- rika reißt auch in diesem Monat nicht ab. Aus Holzhausen beantragen der 18jährige August Brüggemann, der 20jährige Schu- machergeselle Carl Jonas und der 29jäh- nge Heinrich Hermann Stuckenbrock die Ausreisepässe. August Im August schafft die Witwe Platte ihren Gar- ten bei der Bruchmühle nicht mehr. Die Ar- beit wird zuviel und so muß sie ihn schweren Herzens verpachten. Doch etwa* anderes beschäftigt die Holzhäuser mehr. Zunächst 13 ist es nur ein Gerücht, aber dann wird es Gewißheit. Bürgermeister Fischer will sein Amt niederlegen. Es wird lebhaft diskutiert. Am 30. August 1854 muß sich, in einer öf- fentlichen Sitzung, sogar der Kreisvorstand mit dem Rücktnttsgesuch befassen. Der Antrag wird abgelehnt, und Heinrich Fischer bleibt Bürgermeister in Holzhausen. September Die Ernte ist gut und reichlich. Für viele be- deutet das das Ende einer argen Notzeit. Alle Hände greifen bei der Emtearbeit zu. Beim Dreschen findet sich hier und da das gefürchtete Muterkorn im Getreide. Aber es geht weiter, es geht etwas aufwärts und Zu- versicht und Hoffnung lassen vieles leichter tragen. Oktober Wie in jedem Jahr, nach Abreise der letzten Kurgäste, wird auch in diesem Jahr in Pyr- mont der Bau einer Stadtkirche diskutiert. Zu dieser Zeit ahnt noch niemand, daß noch 23 Jahre in’s Land gehen, bevor die Stadtkir- che an ihrem heutigen Platz steht. Der Herbst kommt, die Schatten werden länger und die Tage kürzer. Es wird stiller im Dorf. November Ende November erschüttert die Nachricht von einem Unfall die Menschen. Ein armer Tagelöhner ist beim Äpfelplücken vom Baum gestürzt und so unglücklich gefallen, daß ihm ein Arm abgenommen werden muß. Wenige Tage danach erliegt er seinem Leiden. Am Tage seiner Beerdigung, es ist wie eine Wiederholung, stürzt der Knecht des Schweinehirten vom Baum. Tagelang herrscht Ungewißheit ob er den Sturz über- leben wird. Dezember In der Mitte des Monats Dezember regnet es und regnet es. Die Emmer steigt so hoch, daß die Postkutsche an der Dringenauer Mühle nicht mehr über die Brücke fahren kann. So muß sie den Weg über Holzhausen und Grießem nehmen. Durch das schlechte Wetter ist auch der Weihnachtsmarkt auf dem heutigen Kaiserplatz schlecht besucht. Für das kommende Jahr ist die Klassensteu- ersumme für Holzhausen auf 656Thaler und 6 Groschen festgesetzt. Doch bevor die Holzhäuser daran denken, gehen sie in ihre warmen Stuben und bei flackerndem Lampenschein feiern sie Weih- nachten und beschließen das Jahr 1854. Hier drehte sich früher das Mühlrad der Hambomer Mühle 14 r ' Jürgen Uhlen und das erste Pyrmonter Brunnenhaus - Wiese am Moorteich hatte er zum Kohlgar- ten gemacht. Man kann daraus schließen, daß Jürgen Uhlen bei den Nahrungsmitteln zum Teil Selbstversorger war. Problemlos verlief damals das Leben aber auch nicht. Große Teile der Bevölkerung konnten weder lesen - noch schreiben. Vereinbarungen und Käufe wurden zum Teil mündlich getrof- fen und der nächsten Generation weiterge- geben. Das Grafenhaus hatte in den zurückliegen- den zweihundert Jahren viermal den Besit- zer gewechselt und das gräfliche Archiv, im damalige Schloßturm untergebracht, war im Dreißigjährigen Krieg stark beschossen und dadurch, so muß man annehmen, zerstört worden. So existierten keine Grundbücher oder Ur- kunden, welche die ländlichen Besitzverbält- nisse und deren Nutzung klar regelten. Das bekam auch Meister Uhlen zu spüren. Füf seine Wiese am Moorteich meldete der Vcllmeier Johann Stuckenbrock ebenfalls Besitzrechte an. Dieser hatte zwar hohe Schulden, aber mit mehr als neunzig Mor- gen Land gehörte er zu den Großen des Dorfes. Grundherr der umstrittenen Wiesenfläche war der Herr von Münchhausen auf dem Haus Schwöbber und sowohl Uhlen wie Stuckenbrock gaben an, für diese Wiesen die Abgaben zu entrichten. Wie die Sache ausging kann man sich den- ken. Als der Pyrmonter Amtsschreiber in Schwöbber nachfragte, stellte sich heraus, daß von Jürgen Uhlen dort keine Abgaben angekommen waren. War hier vielleicht Schlitzohrigkeit mit im Spiel? Die andere Wiese, am Holzhäuser Bruche, hatte Meister Uhlen an Christoff Viermann verpfändet, weil er diesem vierzig Thaler Die älteste bekannte Landkarte des Pyr- mont-Lügder Raumes stammt von dem in Lügde geborenen Johann Gigas. Die Karte der Grafschaft, kurz vor Ausbruch des Dreißigjährigen Krieges gezeichnet, zeigt neben interessanten Einzelheiten auch den Pyrmonter Brunnenplatz. Die Quelle entspringt im Freien und das Wasser fließt durch einen gewundenen Bachlauf in die Emmer. Im Jahr 1662, vierzehn Jahre nach Ende des Dreißigjährigen Krieges, vermerkt der gräfliche Amtsschreiber Judenherzog am 7 März: »Meister Jürgen Uhlen das Haus über den heiligen Brunnen zu bauen ver- dingt«. Vier Jahre zuvor hatte sich Meister Uhlen, der mit Salome Schulzen verheiratet war, ein Haus gebaut, das heute noch in Holz- hausen steht und in der Grießemer Straße die Hausnummer neun trägt. Als Zimmermann gab es für ihn in der »Nach- kriegszeit« sicher viel Arbeit, doch gehörte zu seinem Haus auch etwas Land, das er bewirtschaftete. Direkt hinter seinem Haus, von dem Mühlen- bach durchzogen, hatte er einen Gras-, und Baumhof. der jedoch, wie er selbst angab, wenig taugte. Zwei Morgen Ackerland besaß er -im Obe- renfeld auf dem Rothe, nahe dem Gehölz«. Eineinhalb Morgen diesseits und ebensoviel jenseits der »Landwehr am Lügdischen Wege- nannte er sein Eigentum. Ein Teil der damaligen Flurbezeichnungen sind heute vergessen. Außer dieser bescheidenen Landwirtschaft, hatte er noch fünf Morgen Wiesen und Wei- den für seine Viehwirtschaft. Zwei Morgen am Bruche und drei bei Pott- hast Teich am Voranger. Einen Teil dieser w ■ Ap T.

In dieser Zeit regierte Georg Friedrich Fürst zu Waldeck Graf zu Pyrmont. (1620 - 1692) Nach einem Stich aus dem Jahr 1683 GIOMGiO HUklCC MASTkP hl CAMPO IMttWAU ÜHHu\l I • i iwu IH Ml AI IM CK QMIIMI mUClKYMI u -XIMH MtMlorrYJMM Ul.. I / Z/..I t U — - r - - •— • A Die Inschrift am Haus von Jürgen Ulfen schuldete. Weitere fünfundzwanzig Thaler schuldete er noch seiner Schwester, die in Brakelsiek verheiratet war, als Brautschatz, wie damals die Mitgift genannt wurde. Die Abgaben, heute würden wir Steuern sa- gen, die der Zimmermann jährlich zu zahlen hatte, waren der zehnte Teil des Ackerertra- ges und eine Gans und zwei Hühner. Seine Geldabgaben, zusammengerechnet aus Contribution, Dienstgeld und Landschatz, betrugen einen Thaler, vierundzwanzig Gro- schen und sechs Pfennige. Zu dieser Zeit war der Preis für eine Kuh etwa acht Thaler und ein Pferd war zehn bis zwölf Thaler wert. Jürgen Uhlens Nachbar war Bernd Bring- mann. Zu seinem Haus gehörte nur ganz bescheidener Grundbesitz und entspre- chend gering waren seine Abgaben. Ganze vierundzwanzig Groschen hatte er jährlich zu entrichten. 15 So ist es denkbar, daß es die Not war. die ihn Söldner werden ließ, denn er war Soldat bei den Lüneburgischen. Zu hoffen ist. daß er nicht bei denen war, die unter Führung von Graf Josias im Jahr 1670 auf Kreta von den Türken so vernichtend geschlagen wurden. Doch zurück zum Bau des Brunnenhauses. Dem Meister Uhlen halfen zwei andere Holz- häuser. Hermann Meyer und Hans Striling.

Der Sägeschneider Hermann Vietmeyer. der eine wassergetnebene Sägemühle be- saß, hatte das Bauholz und die Dielen für den Fachwerkbau geschnitten und so ging Jürgen Uhlen und seine Helfer aris Werk. Sie müssen flott gearbeitet haben, denn fünf Wochen nach Auftragserteilung war Richt- fest. Das Rechnungsbuch berichtet darüber, daß die Zimmerleute beim Marketender auf dem Schloß für zwei Thaler und neun Groschen Bier vertrunken haben. Etwa zur gleichen Zeit bekam der Holzhäu- ser Förster Hermann Steinmeyer eine Strafe aufgebrummt, weil er dem Böttcher Heinrich Müssen aus Lüdge beschuldigt hatte, seine Tonnen für Bier wären zu klein. Den Abschluß des ersten Brunnenhauses bildeten -zwo Knoppen auf das Haus über dem Sauerbrunnen-. Für sechtzehn Groschen hatte sie der Holz- häuser Hans Meyer gemacht. Constapell Meyer war bis zu seinem Tod im Jahr 1670 ein ungewöhnlicher Mensch, doch ist für ihn hier jetzt kein Ratz. Von dem ersten Brunnenhaus ist keine Ab- bildung oder Beschreibung bekannt. Wie es aussah wissen wir nicht. Wir kennen auch den Grund für das schnelle Ende dieses Hauses nicht. War es ein Brand? War es wie beim Brunnenhaus in Wildungen ein Blitzein- schlag? Bis heute sind keine Nachrichten darüber gefunden. Bereits vier Jahre später. 1666. wurde mit dem Bau des neuen Brunnentempels be- gonnen. der dann nahezu zweihundert Jahre seinen Platz behielt. An Jürgen Uhlen erinnert heute noch sein von ihm erbautes Wohnhaus. Die Inschrift über der Dielentür trägt heute noch seine Namen und die fast 330 Jahre alten Fachwerkstämme sehen aus als könn- ten sie noch einmal so alt werden. Inschriften auf Dielenbalken in Holzhausen c---------------------------- Brief des Dorfrichters an seinen Landesherrn X. Fürst Anton Ulrich von Waldeck und Pyr- mont regierte ab 1706. Kurz nach seinem Regierungsantritt ließ er das alte Pyrmonter Renaissance-Schloß abreißen und an glei- cher Stelle das Barock-Schloß errichten. So verdankt Pyrmont und auch Aroisen diesem Barock-Fürsten seine Schlößer. In dieser Zeit waren die Linden der Pyrmon- ter Hauptallee noch nicht einmal vierzig Jahre alt und die Bebauung der Brunnen- straße noch nicht abgeschlossen. Neu- Pyrmont, zwischen Oesdorf und den Haupt- quellen gelegen, wuchs erst langsam heran. Im März des Jahres 1708 setzt sich in Holz- hausen. dem größten der zehn Pyrmonter Dörfer, ein Mann an den Tisch und schreibt an seinen Landesherren. •Hochgebohrener Graff Gnädigster Graff und Herr«, so beginnt Hermann Möller, der Richter von Holz- hausen. seinen Brief. Dieses Schreiben liegt heute noch im Staatsarchiv Marburg und wurde dort An- fang 1986 von Herrn Heinrich Jonas aus Eichenborn entdeckt. Die Fotokopien der engbeschriebenen schwer lesbaren Seiten, wurden mir freundlicherweise zur Verfügung gestellt. Der Dorfrichter beginnt damit, dem Grafen seine schlechte wirtschaftliche Lage darzu- stellen. Seit fünf Jahren versieht er nun die- sen Dienst. Dafür erhält er drei Thaler. Zum Leben, er hat auch Frau und Kinder zu ver- sorgen, benötigt er etwa das Dreifache. Wenn er seinen Richterdienst pflichtgetreu versieht, so bleibt ihm keine Zeit für eine an- dere Tätigkeit. Grund und Boden besitzt er nicht, und so hat er keine weiteren Einkünfte. Hermann Möller schreibt dazu: •Wan denn dabey zu erwegen nötig ist die Pflicht und treue, damit man Ero Hoch Gräffl Gnad als unseren gnädig- sten Landes-Herrn in solchem Ampt ver- pflichtet ist, so finden sich in hiesigem großen Dorffe oftmals viel beschwerun- gen und große Verhinderungen, da ich doch mit meinem Weib und Kindern le- ben und dieselben ernehren muß. und aber ich keine Feldguter oder sonsten habe davon ich leben könnte so wird oftmals durch mein Richterdienst an meiner Arbeit und Nahrung gehindert« Drei Vorschläge macht der Richter, wie der gnädige Herr die schlechte Lage verbes- sern könnte. Erstens, daß ihm ein Stück Land zugewie- sen werde möge, das er ausroden, urbar machen und bepflanzen darf. Zweitens: -Oder ob Eur Hoch Gräffl Gna- den gnädigst verordenen wollen, daß • mir die Contribution und Dienstgeld möchte abgenommen und auf die Ge- meinde verlagert werden.« Damit meint der Dorfrichter die Abgaben und Steuern, die er von seinem Einkommen bestreiten muß. Wie ernst es Hermann Möller mit seinem Brief meint, können wir seinem dritten Vor- schlag entnehmen. •Oder gnädigst geruhen den Richter- dienst einem anderen der es besser als ich aushalten kann gnädigst anzuver- trauen.« So etwas schrieb damals niemand, der nur eine Gehaltserhöhung wollte. Dahinter stand wohl die Not. Vielleicht sogar hun- gernde Kinder. Wenn über die Barockzeit ein Geschichts- bild vorherrscht, das von höfischem Glanz und Prachtbauten bestimmt ist. so ist das nur ein Teil der Wahrheit. Das Leben der klei- nen Leute m jener Zeit war glanzlos und ärm- lich. Dafür gibt uns der Brief des Richters aus Holzhausen einen Denkanstoß. Her- mann Möller schließt sein Schreiben mit den Worten: -Für Ero Hoch Gräffl Gnade Hoher Geist und leibliches Wohlergehen und langes Leben beständig zu bitten wie ich in Hoffnung gnädigster Erhörung lebend verharre.« Unterthämgster Knecht Hermann Möller Richter in Holzhausen 18/März 1708

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aktuell18:22, 21. Jun. 2024 (18,35 MB)FrankSchlutter (Diskussion | Beiträge)ein Pyrmonter Dorf Beiträge zur Dorf-Geschichte von Hermann Trost ein Pyrmonter Dorf im Beiträge zur Geschichte von Hermann Trost Vorwort In den zurückliegenden vierzig Jahren haben weit mehr als zwanzigtausend Menschen durch die Umschulung im Berufsförderungswerk eine neue Chance für ihr Leben erhalten. Nach dem Ende des zweiten Weltkriegs war die Versehrten-Schule zunächst zehn Jahre lang im Pyrmonter Schloß untergebracht. Danach war sie sechs Jahre im Haus der ehemaligen Zigarren- fabrik Zet…

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