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Holzhausen - Ortsstraße 14

Aus Geschichtliches aus Bad Pyrmont


1930er, Familie des Schuhmachers Büsener vor ihrem Haus in der Ortsstraße 14 in Holzhausen (Quelle: Gabriele Wittfeld , 2022)

Links im Bild die Familie des Schuhmachers Büsener vor ihrem Haus in der Ortsstraße in Holzhausen. Das Zimmer mit dem geöffneten Fenster hatte die Familie an einen Tischlergesellen aus Schlesien vermietet. Damals war es Tradition, dass Handwerksgesellen auf Wanderschaft bzw. auf die Walz gingen, um in anderen Betrieben neue Arbeitstechniken kennenzulernen. Der schlesische Tischler blieb in Holzhausen und heiratete dort.[1]

1930er, vier Handwerker während einer Arbeitspause. Quelle: Gabriele Wittfeld, 2022

Holzhausen in den 1930er: Vier Handwerker während einer Arbeitspause Bei dem Mann ganz rechts im Bild handelt es sich um einen Tischler aus Schlesien. Er war auf seiner Wanderschaft bzw. Walz nach Holzhausen gekommen und wohnte beim Schuhmacher Büsener in der Ortsstraße 14. Vielleicht erkennt jemand die anderen drei Handwerker. [2]


Aus Klaus Dorn - Lebensberichte aus Bad Pyrmont (2000):

Hermann Büsener um 1950

Hermann Büsener - ein politischer Kopf, der zum Widerstand in Holzhausen gegen das nationalsozialistische Regime zwischen 1933 und '45 gehörte. Ein Einzelkämpfer, der unerschrocken, offen - nicht verdeckt - und konsequent seinen Weg unter der Diktatur ging, auch - als sein Leben gefährdet war. Er gab nicht auf: Ein Mann mit Zivilcourage - Hermann Büsener (1892 - 1957) zeigte Flagge

Ein Hitler-Bild in seinem Haus in der Ortsstraße 14 - undenkbar. Jedenfalls solange die Würde des Menschen mit Füßen getreten wurde. Mindestens zwei Häuser in Holzhausen fielen durch fehlende Hakenkreuzbilder auf, wenn sich die Nazis an Gedenktagen feierten: Ortsstraße 14 und Bensendrift 4 - Schlutter.

Hermann begrüßte jeden Besucher seiner Einmann-Werkstatt mit „Guten Morgen“ oder „Guten Tag“, verabschiedete ihn mit „Auf Wiedersehen“. Ein „Heil Hitler“ kam ihm nicht über die Lippen.

Jugend und Lehrzeit

Hermann wuchs als erstes Kind in einer zehnköpfigen Familie auf. Der Vater reparierte Schuhe und kämpfte mit Pfennigbeträgen um das tägliche Brot. Schmalhans war Küchenmeister, so daß kaum elterliche Schulhilfe zu erwarten war und Lernaufstieg ausblieb. Folglich wurde Sohn Hermann nach der Schulzeit Zigarrenmacher, weil leicht erlernbar, trat dann aber in die Fußstapfen seines Vaters und meldete einen eigenen Betrieb an, als er merkte, daß in der Zigarrenfabrik nichts mehr zu verdienen war.

Die Werkstatt in der Ortsstraße 14

wurde zum Zentrum des Widerstandes nach 1933 in Holzhausen. Hier trafen sich Kommunisten, Sozialdemokraten - und Nationalsozialisten, die Hermann ebenfalls bediente. Man politisierte, debattierte und ermunterte, wenn ein Freund umzufallen drohte. Eine verschworene Gemeinschaft, die zusammen hielt. Die Worte blieben im Raum, auch wenn Sohn „Friedel“ anwesend war. Der Vater sagte nur: „Jei könnt alles vertellen, hei seggt nichts.“ Vater und Sohn - ein Herz und eine Seele, eingebettet in einer sozialen Demokratie.

In Lebensgefahr

1944/45: Das Ende der NS-Herrschaft war abzusehen. Die Parteioberen dachten hasserfüllt daran, sich an ihren Politgegnern zu rächen, und erstellten eine Liste der Todeskandidaten. Hermann war einer von ihnen, die im Steinbruch erschossen werden sollten. Ein brauner Funktionär

jedoch erbarmte sich dieser Menschen, ordnete an: „Sau kühn wei dat nich moken!“ Und zögerte die Exekution so lange hinaus, bis es zu spät war.

Im Volkssturm

Die Volksschädlinge sollten sich ihr Überleben verdienen, indem man sie in den Volkssturm steckte, den Hermann „Völker-Stürmer“ bezeichnete - Hitlers letztes Aufgebot neben Hitlerjugend und Wehrwolf. Bei „Drawen auf dem Saal“ traf man sich zur Waffenkunde. Löffel und Kochgeschirr seien mitzubringen, fügte der Einberufungsbescheid hinzu. Hermann war mit von der Partie und stellte sich dumm: „Wie mott ick dat Gewehr nau hauln - mit den Kolben nach vorn?“ Danach ab ins Gelände zum Hagener Berg. Hermann wohlweislich: „Eck mut erst na Hus un den Löppel holn.“ Als er zurückkehrte, war die Übung beendet.

Mit Humor

Beim Einmarsch der US-Truppen im April '45 standen viele Einwohner aus Holzhausen an der Schillerstraße, die damals „Straße der SA“ hieß. Hermann staunte über die US-Panzer und ließ von sich vernehmen: „Frau Angermann“ - eine Nazissin - „sind dies nun die neuen Waffen, die uns vom Rundfunk angekündigt worden sind?“

Nachdem der „braune Spuk“ vorüber war, besorgte sich Hermann ein Hitler-Bild und hing es an der Innenseite der Werkstatttür mit der Unterschrift auf: „Der größte Jugend- und Raubmörder aller Zeiten“ - auch in Englisch. Die ehemaligen Nazis sollten sich ihres Führers erinnern, wenn sie aus seinem Betrieb gingen, die GI’s nicht unbelehrt gelassen bleiben.

Sein Abschied 1957 verstarb dieser Aufrechte aus Holzhausen nach kurzem Leiden im Beisein seines jüngsten Sohnes Fritz. Der älteste liegt irgendwo zwischen Smolensk und Moskau in russischer Erde begraben. Er fiel 1942 im Alter von 20 Jahren, dessen Tod der Vater nicht verwunden hat.

= Einzelnachweise

  1. nach Gabriele Wittfeld in der FB-Gruppe Alt Bad Pyrmont, 2022
  2. ebenda
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